Mailand ist ein toller Ort. Vor allem bei derart strahlendem Sonnenschein wie heute. Da ließe sich auch die eine oder andere, an sich nicht so vorteilhaft ausstaffierte Stadt ertragen, aber ich bin ja glücklicherweise im pulsierenden Herzen der Lombardei. Und dort lässt sich’s auch bei Regen aushalten.

Man sagt ja auch, eine Stadt oder gar ein Land, erhalte sein Gesicht von den Bewohnern. Demnach sieht es also folgendermaßen aus. Mailand ist erst mal sehr zurückhaltend, irgendwann aber doch ziemlich freundlich. Soviel eben sein muss. Immer gepflegt, nein, wie aus dem Ei gepellt. Für meinen Geschmack etwas zu klassisch. Da fragt man sich doch glatt, wer die ganzen Klamotten in der Via della Spiga kauft. Und die Frauen, belissima. Ich habe selten an einem Tag so viele attraktive Frauen gesehen. Also schön ist Mailand auch noch.

Weshalb war ich nochmal da? Ach ja, Kaffee. Den gibt es natürlich, nach wie vor, an jeder Ecke. Und mit jeder Ecke, meine ich auch jede. Wer also den klassischen, italienischen Espresso mag, und das tue ich übrigens auch immer noch, der wird relativ selten enttäuscht. Das Espressoland Italien ist in diesem Segment, ja Gott sei Dank, überdurchschnittlich zuverlässig.

Caffè Cucchi

Third Wave hin oder her, wer Mailand besucht sollte auch unbedingt eines der traditionsreichen Kaffeehäuser besuchen. Mit dem Prunk vergangener Tage, den Kronleuchtern, den Kellnern und Baristi in Livre und Fliege, versprühen diese Cafés ihren ganz eigenen Charme. Ich bin dieses Mal auf das CAFFÈ CUCCHI gestoßen. Immerhin seit 1936 am Platz, gehört das CUCCHI zu einer der bekanntesten Patisserien Mailands und bietet auch sonst alles, was es zum Klassiker braucht. Mehr Infos unter

Pasticceria Cucchi, Corso Genova 1, 20123 Milano, www.pasticceriacucchi.it

B-Café

Die Suche nach etwas besonderen Bars oder gar Spezialitäten-Cafés, gestaltet sich dann doch etwas schwieriger. Mit etwas Hilfe habe ich aber trotzdem, das eine oder andere, gefunden. Um die Ecke meines Apartments, also quasi direkt vor der Haustür, in der Via Santa Marta, gleich das B-Café. Abends eine Cocktail-Bar mit Mailänder Szene-Publikum und ab früh morgens ein gut besuchtes Café mit Espresso, Cappuccino und allem was dazu gehört. Als Reminiszenz an John Lennon trägt die gesamte Crew im B-Café übrigens deutsche Armee-Jacken.

B-Cafe, Via Santa Maurilio 20, 20123 Milano MI +39 02 8909 3317

Taglio

Dieses Café ist schon ziemlich speziell. Schon allein deshalb, weil es in dem Sinne gar keines ist. Eher ein Restaurant mit Feinkost-Theke und auf jeden Fall mal flexiblen Öffnungszeiten. Als ich um 11.30 Uhr aufschlug, gab`s keine Kaffee-Spezialitäten. Der Barista war noch nicht eingetroffen. Ankunft unklar. Dann schau ich halt nur.

Und wow, im hinteren Raum steht doch wirklich ein kleiner Röster. Das ist insofern besonders, weil ich mich in Italien befinde und hier keine Röstmaschinen in Gasträumen stehen. Und ja, mit eben jenem wird auch hin und wieder geröstet. Und als ob das nicht genug wäre, quasi als Majestätsbeleidigung, stehen im Regal feinsäuberlich aufgereiht, jede Menge Kaffees ausländischer Spezialitäten-Röstereien. Climpson & Sons aus London, Taf aus Athen oder Mokxa Lyon sind schon eine Ansage, mitten Mailand. Und ein Zeichen. Offensichtlich bahnt sich die Third Wave jetzt auch ihren Weg nach Italien. Wie auch immer, das Taglio ist ein cooler Laden und ich bin sicher der Kaffee dort ist`s auch. Mehr Infos unter

Taglio, Via Vigevano 10, 20144 Milano www.taglio.me

SempliceMente

Das tut mir jetzt irgendwie leid. Mit der Begeisterung im Kopf, hat die nächste Bar schon automatisch einen ziemlich schweren Stand. Das SempliceMente ist ein nettes Café. Aber wer will schon nett sein. Hübsch eingerichtet und aus dem italienischen Espressobar-Einheitsbrei sticht sie allemal hervor.  Fröhlich, bunt und sympathisch. Für den kleinen Schwarzen zwischendurch durchaus zu empfehlen, aber keine Sternstunde am Kaffee-Himmel. Die Pizza soll allerdings Bombe sein…

SempliceMente, Corso Cristoforo Colombo 6, 20144 Milano MI, Tel 0039 02 4547 7854

Vista Darsena

Wer in fremden Städten durch die Gegend irrt, findet meist nicht viel. Lässt man sich jedoch einfach mal treiben, kommt man oft an die tollsten Orte. Einmal um die Ecke geschlendert und plötzlich war da ein See, mitten in Mailand. Ok, die Darsena ist eher ein Fluss, aber dieser führt so ruhiges Wasser, dass man ihn auch gerne als kleinen See durchwinken könnte. Und jetzt mal ehrlich, manchmal muss es der beste Espresso sein, und ein anderes mal braucht man vor allem einen Ort an dem man eine schöne Zeit verbringen kann. Und das ist das Vista Darsena. Direkt am Wasser gelegen, ist die Bar quasi der Hot Spot für Sonnentage in Mailand. Eine Oase tagsüber zum Entspannen und trotzdem etwas erleben (ja, das schließt sich nicht aus) und nachts für Abenteuer aller Art. Wie auch immer, das aufstrebende Viertel Ticinese, mit seinen vielen Läden, Restaurants und Bars ist quasi ein Muss für den modernen Mailand-Besucher. Und dann liegt ein Schlenker ins Vista Darsena ja auf der Hand.

Vista Darsena, Viale Gabriele D`annunzio 20, 20123 Milano www.vistadarsena.it

Cofficina

  

Wäre Mailand eine Art Festival, dann kämen wir jetzt zum sogenannten Headliner. Das Cofficina ist wirklich etwas Besonderes. In Berlin, Kopenhagen oder London wäre sie eine unter vielen. Hier aber, im Mutterland des Espresso, repräsentiert diese kleine Bar das zarte Pflänzchen der Spezialitäten Cafés in Italien. Nicht, dass es keine innovativen Röster in Italien gäbe. Da tut sich sogar einiges. Viele experimentieren mit helleren Röstungen und Single Origins und die Resultate sind größtenteils beachtlich. Aber es braucht auch die Kunden, die diese Veränderung wollen. Eine über Jahrzehnte gewachsene und lieb gewonnene Kaffee-Kultur lässt sich eben nicht so einfach über Bord werfen. Und am Ende will das ja auch keiner. Mit dem Generationen-Wechsel in den Röstereien und Bars, entwickelt sich ein wunderbares Gemenge von Tradition und Moderne. Und Cofficina repräsentiert die Moderne.

Cofficina repräsentiert die Moderne.

Eine klassische Bar für die Generation „Third Wave“. Hier gibt es alles was das „Spezialitäten-Kaffee-Herz“ begehrt. Espresso, Cappuccino, Flat White, Filterkaffee, sowie Schulungen und Cup-Tastings. Die hauseigenen Röstungen umfassen fast das ganze Spektrum. Ticinese58 ist ein medium gerösteter Espresso-Blend und dazu sind noch 6 Single-Origin-Varianten im Programm. Teils als Filter, teils als Espresso-Röstung. Für Tee-Liebhaber oder für die, die gerne mal was Neues ausprobieren wäre da noch Cascara zu erwähnen. Ein Tee aus dem getrockneten Fruchtfleisch der Kaffee-Kirschen. Geschmacklich am ehesten mit grünem Tee zu vergleichen. Sehr speziell, aber versuchen sollte man dieses außergewöhnliche Getränk auf jeden Fall.

Die sympathischen Macher von Cofficina haben in dieser Bar ihre Ideen verwirklicht und auch alles selbst zusammen gebaut. Mir gefallen besonders die selbstentwickelten „Untersetzter“ aus Holz. Ist doch mal etwas anderes. Also liebe Mailand-Besucher, die neue Generation italienischer Café-Bars startet im Corso di Porto Ticinese.

Cofficina, Corso di Porta Ticinese 58. 20123 Milano  http://www.cofficina.it

Mailand ist schön

Mailand hat viele Cafés und wie eingangs schon erwähnt, sind dort die Espressohaltigen Heißgetränke auch vollkommen ok. Jedoch ist noch viel Luft nach oben. Das Interior ist meist eine Katastrophe. Äh, wo kommen nochmal die ganzen tollen Design-Firmen her? Ah, Italien. Davon ist in der Mehrzahl der Cafés nun wirklich gar nix zu sehen. Um so schöner wirken da die wenigen Ausnahmen, wie die oben genannten. Und schließlich gibt es ja noch eine ganze Menge anderer Bars. Wie auch immer, ich mag Mailand auch so.